Mythos Reichtum: Warum mehr Geld nicht immer glücklicher macht
Freitag, 06.10.2023, 10:51
Seit über einem Vierteljahrhundert erforscht Thomas Druyen, Soziologe und Zukunftsforscher, das Phänomen des Reichtums. In einer Zeit, in der die Debatte über die Kluft zwischen Arm und Superreich immer heftiger wird, räumt er mit populären Mythen auf.
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Wer ist reich und warum ist die Darstellung von Reichtum so verzerrt?
Es gibt weder präzise Definitionen, wann Reichtum beginnt, noch gültige Einschätzungen, wie viele Reiche es überhaupt gibt. Natürlich gibt es unzählige Reichtumslisten mit wechselnden Kriterien, aber die basieren alle auf verfügbaren Daten. Der riesige Bereich der unsichtbaren, der kriminellen und der schimären Milliarden bleibt jedoch im Dunkeln. Dazu kommt die extreme Relativität von Reichtum: 5 Millionen Euro in Deutschland, in China, im Kongo oder in Syrien sind für die Bevölkerung völlig verschiedene Dimensionen. Ebenso liegen zwischen 100 Millionen und 30 Milliarden Vermögen Lichtjahre, die überhaupt niemand genau einzuschätzen weiß.
Daher haben wir in unserer Vermögensforschung 30 Millionen Euro als Eintrittsgröße für Reichtum gewählt. Offiziell gilt zurzeit ein Haushalt als reich, wenn ein gemeinsames Nettovermögen von ca. 480.000 Euro vorliegt. Beim Nettoeinkommen gilt man in Deutschland schon als Single mit 3850 Euro als reich. Sie sehen, Reichtum ist die größte Spielwiese der Subjektivität und der ideologischen Willkür.
Wie unterscheidet sich die Realität des Superreichtums von der öffentlichen Wahrnehmung?
Zum Wahrnehmen gehört auch, dass man etwas sieht, dass man es versteht und es einordnen kann. In diesem Sinne leben 99 % der globalen Öffentlichkeit und zum Beispiel die vom US-Magazin Forbes für 2022 angenommene Zahl von 2700 Milliardären in verschiedenen Universen. Ihre Bewegungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sind so uneinholbar und unvergleichlich unterschiedlich, dass ich nicht mehr von der gleichen Realität sprechen würde.
Es geht gar nicht um das sichtbare oder durch Holly- und Bollywood Filme vermittelte Materielle wie Privatjets, Superyachten, Schlösser oder eigene Inseln. Es geht um das innere Gefühl, fast alles probieren zu können, was man will. Wenn mir alles käuflich zu erwerbende offen steht, verändert sich der Charakter, die Lebenswelt und auch die Beziehung zu anderen Menschen.
Das ist vom Gefühl her ein bisschen so, als würden Sie Skat spielen und das Blatt der anderen ist für sie permanent einsehbar. Drei Spieler, aber gänzlich unterschiedliche Welten.
Über den Experten
Thomas Druyen beschäftigt sich seit über drei Jahrzehnten mit den Auswirkungen von Veränderung auf die Psyche, die Gesellschaft und die Generationen. Er ist seit 2015 Direktor des Instituts für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement sowie seit 2006 Direktor des Institutes für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie an der Sigmund Freud Privat Universität in Wien. Sein aktuelles Buch heißt: „Aus der Zukunft lernen – der Leitfaden für konkrete Veränderung.“
Warum wächst trotz wachsendem Reichtum die Verlustangst?
Der Reichtum wächst zwar insgesamt seit Jahrzehnten, eigentlich seit Jahrtausenden. Aber nicht alle Reichen werden immer reicher - im Gegenteil. Wir wissen aus der Geschichte, dass Imperien und Nationen trotz immenser Größe und Bedeutung fast zwangsläufig irgendwann scheitern. Dies gilt ebenso für Konzerne, Unternehmen, Dynastien und eben auch für Reiche. Diese Option ist emotional tief verankert. Das führt je nach Charakter, Kultur und Mindset zu einer vorauseilenden Verlustangst. Man sollte meinen, je mehr man hat, desto weniger ist das der Fall. Aber das Gegenteil ist wahr.
Man könnte sagen, dass Haben und Sein sich eng verzahnen. So wird die Vorstellung aus einem selbstbestimmten und attraktiven Leben geworfen zu werden, mitunter unerträglich. Wir vergessen, dass Reichtum etwas extrem Bewegliches ist, dass immerfort adaptiert werden muss. Das ist offensichtlich höchst kompliziert. Ein kleiner Beleg ist die Tatsache, dass 75 Prozent der Lottomillionengewinner nach wenigen Jahren wieder alles verloren haben.
Wie hat sich die Schere zwischen Mittelschicht und Superreichen im Laufe der Jahre verändert?
Die Mittelschicht unserer Gesellschaft, also zwei Drittel aller Haushalte bilden das Rückgrat der Demokratie. Seit der Finanzkrise 2008, zugespitzt aber seit Corona geht die Schere zwischen dieser Zentralbevölkerung und den Superreichen utopisch auseinander. Die Tendenz, dass sich Einkommen und Vermögen irreal in verschiedene Hemisphären bewegen, zerstört Lebenssinngebung und Gerechtigkeitsgefühle. Dennoch müssen diese Bürgerinnen und Bürger zunehmend größere Lasten stemmen. Auch wenn ohne Zweifel staatliche Kompensationen fließen. Aber der Bewegungsraum wird immer kleiner.
Dagegen konnten die Milliardäre allein in der Corona-Hochzeit ihr Vermögen um beträchtliche Dimensionen steigern. Gigantische Ergebnisse, die durch enorme Steuersummen, Arbeitsplätze und Investitionen zum Gelingen von Gesellschaften beitragen sind konstruktiv. Aber wenn die große Mehrheit der Bevölkerung auf keinen grünen Zweig mehr kommen kann, mehren sich die Risse im System. Die Diskrepanz zwischen Einkommen und Vermögen ist aus dem Ruder gelaufen.
Wie können Gemeinschaftsgefühle in einer Gesellschaft mit wachsender Vermögensungleichheit gefördert werden?
Ohne ein gemeinsames Ziel zerfallen die Lebensperspektiven in Ansprüche, Interessen und Eigensinn. Wenn dazu noch Gefühle der massiven Ungleichheit, der Unfairness und der Orientierungslosigkeit hinzutreten, sind die Kanäle der Aggression, der Wut und der Anfeindung hemmungslos geöffnet. In dieser Lage positionieren sich alle emotional gegeneinander. Psychologisch sucht der Mensch, dem es schlecht geht oder der erwartet, dass es schlechter wird, immer nach Schuldigen. Es dient der individuellen Entlastung, um die undurchschaubare Komplexität zu ordnen. Da befinden wir uns gerade.
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Dass wir im internationalen Vergleich in Deutschland fast noch auf paradiesischer Ebene leben dürfen, zumindest der überwiegende Teil unserer Gesellschaft, wird vor lauter Zukunftsangst verdrängt und ausgeblendet. Diese Ängste bewirken Stillstand, Rückwärtsgewandheit, Tatenlosigkeit und ein Karussell des endlosen Gequatsches. Wir brauchen konkrete Lösungen auf allen Ebenen. Zukunft und Gemeinschaft entstehen nur durch Entscheidungen und konkrete Umsetzung.
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Gründer der Limbeck® Group, Mehrfachunternehmer, Investor, Wirtschaftssenator (EWS), Mitglied des BVMW Bundeswirtschaftssenats und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa.
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Gründer der Limbeck® Group, Mehrfachunternehmer, Investor, Wirtschaftssenator (EWS), Mitglied des BVMW Bundeswirtschaftssenats und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa.
Author: James Moore
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